Rechtsanwaltsfachangestellte – wer nicht ausbilden will, muss zahlen.
Keine Angst, die Rede ist nicht von einer Zwangsabgabe für ausbildungsunwillige Kanzleieigner, vielmehr von einer zwangsläufigen Angelegenheit, die finanziell zu Buche schlagen kann und darüber hinaus den Bewerbermarkt für Rechtsanwaltsangestellte regelt.
Die Ausbildung ist Teil der Kanzleiorganisation
Schaut man sich die Kanzleiorganisation genauer an, hat insbesondere der Rechtsanwalt einen indirekten Ausbildungszwang, den er im Falle des Versäumnisses schmerzlich zu spüren bekommt. Und hier ist nicht der Umstand gemeint, dass er ohne Rechtsanwaltsfachangestellte seine Dokumente selber schreiben und formatieren muss, sondern vielmehr das anwaltliche Horrorszenario des Fristversäumnisses und sein begründetes Ersuchen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 ff. ZPO). Falls Sie der Ansicht sind, dass so etwas so gut wie nie vorkommt, dann geben Sie den Begriff „Wiedereinsetzung“ mal in die juris-Datenbank ein. Sie werden überrascht sein.
Der Erfolg eines Wiedereinsetzungsgesuchs hängt allerdings davon ab, ob den Anwalt selbst ein Verschulden trifft, es wird dann der vertretenen Partei zugerechnet (§ 85 Abs. 2 ZPO). Liegt das Versehen hingegen bei dem sorgfältig ausgewählten, zuverlässigen, geschulten und überwachten Personal des Anwalts, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Ursache des Fehlers in der mangelhaften Kanzleiorganisation begründet liegt. Der Anwalt tut also gut daran, sich um die Ausbildung und Schulung seines Personals zu sorgen.
Der Markt bestimmt den Preis – auch bei Rechtsanwaltsfachangestellten
Nun drängt sich die Frage auf, wo der Anwalt das gut ausgebildete Personal findet, das er für seine Kanzleiorganisation sorgfältig auswählen kann. Die sicherste Lösung wäre, selbst eine Rechtsanwaltsfachangestellte auszubilden. Aber das kostet Zeit, Geld und Nerven. Also verlässt sich der personalsuchende Anwalt seit Jahren auf den Stellenmarkt. Die Veröffentlichung einer Suchanzeige bei der BRAK ist sogar kostenlos. Dort formuliert er, was er in Bezug auf Können, Organisationstalent und gewissenhaftem Arbeitsstil erwartet und hat dann nur noch das Problem mit der Auswahl. Aber dieses Auswahlproblem gibt es schon lange nicht mehr, jedenfalls nicht auf Kanzleiseite. Das Auswahlproblem hat in der Zwischenzeit die Rechtsanwaltsfachangestellte, sie kann sich, wenn sie gut ausgebildet ist, ihre Stellen aussuchen. Wenn sie zusätzlich auch noch im Notariatsbereich kundig ist, wird sie von Headhuntern und Personaldienstleistern angesprochen und erkennt damit so langsam ihren aktuellen Marktwert.
Der Anwalt schaltet in der Zwischenzeit seine Stellenanzeigen bei Stepstone und bezahlt dafür mehr als ein halbes Monatsgehalt einer Rechtsanwaltsfachangestellten, dennoch wird seine Auswahl nicht besser. Wenn sich dann doch eine ReFa bei ihm vorstellt, mit der er es sich vorstellen könnte, dann sollte er nicht lange zögern und das zahlen, was sie sich vorstellt.
Wer nicht ausbilden will, muss früher oder später zahlen, denn es gibt ihn tatsächlich, den viel zitierten Fachkräfte- und Nachwuchsmangel.
Langfristig schützt nur Ausbildung
Der Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten zählt zweifelsfrei dazu. Ursache ist nicht der demografische Wandel, sondern eine über Jahre vernachlässigte Ausbildungspolitik innerhalb der Branche. Hier haben wir es mit einem echten Bewerbermarkt zu tun, der zunehmend nach Marktgesetzen funktioniert. Angebot und Nachfrage regeln den Preis. Im Sinne der mancherorts noch immer schlecht bezahlten Rechtsanwaltsfachangestellten: Recht so, es wurde höchste Zeit!
Andererseits sollte das Gehalt den Anforderungen und der Leistung entsprechen und nicht dem Mangel geschuldet sein. Personalauswahl muss auf einer Auswahl beruhen. Es kann keine Lösung sein, das zu nehmen, was der Markt gerade noch so hergibt. Das birgt in der anwaltlichen Assistenz Gefahren, die zu Lasten des Anwalts, der Kanzleiorganisation und des Mandaten gehen können.
Langfristig ist es unter diesen Gesichtspunkten kostengünstiger, verfahrenssicherer und auch entspannter, sich sein Personal selbst auszubilden. Das hätte den Vorteil, dass man für die Qualität der Ausbildung selbst sorgen und dies im Zweifel auch nachweisen kann, zum Beispiel bei dem Ersuchen auf Wiedereinsetzung in vorigen Stand.
Wer ist, der kann und sollte
Vielleicht sollte man Mahnbescheide für nichtausbildungsbereite Kanzleien erfinden? Die Frage ist nur, wer die Bescheide ausstellt und die Verfahren einleitet, wenn es keine Rechtsanwaltsfachangestellten mehr gibt?
Übrigens gab es bereits zu Beginn der 70er Jahre die politische Idee einer Berufsausbildungsabgabe für Betriebe ohne Lehrlinge. Obwohl sie frühzeitig für verfassungswidrig erklärt wurde, hielt sie sich hartnäckig und wird immer noch auf Länderebene thematisiert. Die Rechtsanwalts, – Notar- und Patentanwalts- und Steuerfachangestellten finden dabei, wie auch sonst, keine besondere Erwähnung. Aber wer könne einem Freiberufler auch vorschreiben, dass er ausbilden soll? Er muss ja nicht einmal nachweisen, dass er es kann. Als Vertreter eines freien Berufes ist man auch ohne Ausbildereignungsschein dazu geeignet (§ 30 Abs. 4, 3 BBiG). Man muss es nur tun.
Der Anwalt kann übrigens auch die Ausbildung der Auszubildenden an eine, ihrerseits gut ausgebildete, Rechtsanwaltsfachangestellte delegieren – sofern er eine hat.
Marion Proft
Marion Proft sieht sich mit ihrem Unternehmen LegalProfession als Begleiterin im Univer§um der juristischen Berufe. Sie ist zertifizierte Vermittlerin zwischen Ausbildung, Studium und Beruf und arbeitet als Persönlichkeitstrainerin und Bewerbungscoach.