Kanzleimarketing ist mehr als bloße Werbung
Kanzleimarketing – welches Marketing? Schaut man sich die Entwicklungen auf dem Anwaltsmarkt an, handelt der Großteil der rund 160.000 deutschen Anwälte nach dem Opportunitätsprinzip: Sie bieten das an, was die Mandanten gerade nachfragen, statt proaktiv neue Dienstleistungsprodukte zu entwickeln und den gesamten Geschäftsablauf darauf auszurichten.
Dieses Verhalten nennen Marketingexperten reaktionär. Die Marktteilnehmer beschränken sich darauf, mit ihren Kunden irgendwie zu kommunizieren – über die eigene Kanzleihomepage, Newsletter, Broschüren oder Anzeigen. Professionelles Kanzleimarketing oder Anwaltsmarketing zur Mandantengewinnung meint aber etwas gänzlich anderes als reine Kanzleiwerbung. Es ist im Grunde genommen ein Puzzle, das aus Tausend Teilen besteht. Das Bild erkennt man meist erst, wenn 50 bis 70 Prozent der Teile passen. Beim Marketing geht es um die konzeptionelle, bewusst marktorientierte Unternehmensführung, die sämtliche Unternehmensaktivitäten an den Bedürfnissen gegenwärtiger und potentieller Kunden ausrichtet, um die Unternehmensziele zu erreichen. Es geht dabei um die berühmten vier P´s: Product (Produktpolitik), Price (Preispolitik), Promotion (Kommunikation) und Place (Distribution und Vertrieb). Ohne eine professionelle Ausrichtung der Kanzlei an diese vier essentiellen Marketingelemente kann keine Mandantenakquise auf Dauer erfolgreich verlaufen. Denn Anwälte leben – anders als Steuerberater – zumeist von Einzelmandaten. Da braucht es – durch kontinuierlich wirksames Kanzleimarketing angestoßen – eine entsprechende Schlagzahl an Mandanten, um ausreichend Umsatz zu generieren. Ohne eine entsprechende Marketingstrategie zur Mandantengewinnung ist das aber kaum mehr möglich.
Zur richtigen Zeit mit dem richtigen Produkt am richtigen Ort
Ziel von Anwälten sollte es daher sein, Kanzleimarketing aktiv für die Verbesserung ihres Geschäfts einzusetzen. Dazu müssen sie Marketingpläne und Anwaltsstrategien aufstellen, in denen sie detailliert beschreiben, wie sie die vier P´s umsetzen wollen und welche konkreten Ziele sie haben. Außerdem müssen sie ihren Fokus auf die Verbesserung des Services richten. Auch gilt es, die Kanzlei von Wettbewerbern zu differenzieren und neue Märkte zu erkennen. Mandanten werden regelmäßig nach ihrer Zufriedenheit befragt. Mandantendatenbanken werden angelegt und gepflegt, Verkaufs- und Servicetraining für Anwälte und Mitarbeiter angeboten. Mit anderen Worten: Alle vier P´s des Kanzleimarketing werden gleichermaßen ernst genommen. Denn wer mit dem richtigen Produkt am falschen Ort sitzt, hat ebenso das Nachsehen wie derjenige Anwalt, der seine Dienste in einer bestimmten Zielgruppe schlicht zu teuer anbietet. Außerdem nutzen Marketing affine Anwälte und Kanzleien die Marktforschung, um Trends und Bedürfnisse in den Beratungsmärkten frühzeitig zu erkennen und passgenaue Angebote zu unterbreiten.
Nachfrager von Rechtsdienstleistungen werden erwachsen
So wichtig der Aufbau von Reputation und Image der Kanzlei durch Kommunikation, aber auch vor allem auch durch das richtige Weiterempfehlungsmanagement ist – die Zukunftsfähigkeit der Rechtsberater hängt von ihrer Innovationskraft und ihrer Effizienz ab. Denn zum einen wachsen die Beraterbudgets angesichts immer neuer Sparwellen in den Unternehmen nicht in den Himmel. Und auch im Verbraucherbereich werden die Mandanten angesichts zahlloser kostenloser Rechtsinformationen im Internet immer anspruchsvoller. Dadurch steigen die Ansprüche der Mandanten an die Qualität der Beratungsleistungen. Diese Professionalisierung der Klienten im Umgang mit ihren Beratern ist auch eine Folge davon, dass viele Professionals die Seite gewechselt haben – also zum Beispiel Anwälte aus Wirtschaftskanzleien, die jetzt in Rechtsabteilungen von Unternehmen arbeiten.
Verdrängungswettbewerb hat nichts mit Qualität zu tun
Wem es nicht gelingt, eine innovative Produktstrategie zu entwickeln, wird als mehr oder weniger austauschbarer Mitbewerber kaum wahrgenommen, ein Faktum, das in der Konsumgüterwelt abfällig als „me too“ Nachahmerprodukt bezeichnet wird. Folge dieser Entwicklung ist ein Verdrängungswettbewerb. Dann gewinnen auf Dauer nicht derjenigen Sozietäten im Markt, die die beste Leistung bringen, sondern diejenigen Kanzleien, die die meisten finanziellen Reserven haben. Zumindest sind beide Faktoren – Wissen und Finanzkraft – gleichbedeutend wichtig. Wer sich auf derlei Machtkämpfe als Anwältin oder Anwalt nicht einlassen will, der weicht lieber in profitable Nischen aus, um sich so gegenüber der Konkurrenz abzuheben.
Kein Kanzleimarketing aus der Schrotflinte
Kanzleimarketing, Akquise und Qualität – auf diese drei Grundbegriffe müssen sich die Anwälte jetzt und in Zukunft konzentrieren. Echte Markenbildung ist unter den deutschen Anwaltskanzleien bislang ohnehin Mangelware. Viele Großkanzleien stehen zwar für schiere Größe, die allerdings zur Markenprofilierung nicht reicht. Zahlreiche kleinere Kanzleien stehen eher für Verzettelung und diffuse Leistungsangebote. Die Kunst besteht nun darin, Kanzleimarketing nicht mit herkömmlichem Produktmarketing von Suppeneintopf über Motorenöl bis hin zu Modegegenständen zu verwechseln. Denn die anwaltliche Dienstleistung ist kein Massenprodukt, sondern basiert auf persönlicher Beratungsleistung, mithin Vertrauen. Und das lässt sich nur über kontinuierliche Arbeit und ein klares Anwaltsmarketing aufbauen, nicht über Schnellschüsse. Auch bei der Mandantenakquise und Mandantengewinnung gilt es, sich der Bedeutung von Vertrauen als die Basis für eine gute Mandantenbeziehung immer wieder vor Augen zu führen.
Qualität nicht überbewerten
Viele Anwälte, mit denen man über den Rechtsmarkt und die Chancen der Anwaltschaft spricht, bemühen gebetsmühlenartig die Floskel von der Qualität, die stimmen müsse. Qualität als wesentliches Differenzierungsmerkmal in der Kundenwahrnehmung bringt aber nur bedingt Erfolg. Denn zum einen ist Qualität für professionelle Mandanten ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Und Qualität alleine treibt Mandanten noch nicht in die Kanzlei. Denn letztlich bleibt ihnen angesichts der Schwierigkeit, die juristischen Fähigkeiten überhaupt objektiv einzuschätzen, nichts anders übrig, als äußeren Indizien bei der Anwaltswahl zu vertrauen. Anwaltliche Güte wird so letztlich zur gefühlten Qualität. Daher ernten auch nicht immer die besten Anwälte die dicksten Mandate. Wohl aber die Menschenfänger, die von hohen Sympathiewerten leben.
Gute Kanzleiwerbung ist Mangelware
Über 20 Jahre, nachdem das Bundesverfassungsgericht das anwaltliche Werbeverbot kippte, ist Anwälten nach deutschem Berufsrecht in Sachen Werbung und Mandantenakquise nahezu alles erlaubt. Doch obwohl die Werbefreiheit damit fast grenzenlos ist, hinkt die Umsetzung in die Tat weit hinterher. Innovative, pfiffige und informativ-unterhaltsame Kanzleiwerbung und Kanzleimarketing ist nach wie vor die große Ausnahme. Dabei ist es gar nicht so schwer, mit einer guten Idee ganz nah an potentielle Mandanten heranzukommen.
Ein Lächeln oder Staunen abringen
Bei der Werbung für eine Kanzlei muss man grundsätzlich zwischen Dachmarke und Monomarken, also zwischen der Kanzlei XY und den einzelnen Partnern, Praxisgruppen oder Rechtsgebieten unterscheiden. Bei der Dachmarke sollte man Information mit Emotion verbinden. Wer dem Betrachter ein Lächeln oder Staunen abringt, sorgt dafür, dass er die Botschaft nicht so schnell vergisst und die Kanzlei in guter Erinnerung behält. Das wirkt mehr als viele Worte. So hatte eine Kanzlei, die sich auf Wettbewerbsrecht spezialisiert hatte, ihren Mandanten im WM-Jahr Schienbeinschoner in einem Direktmailing geschenkt, um damit zu symbolisieren, dass sie auch juristisch gut geschützt sind.
Kanzleimarketing unterstützt Kompetenz
Bei den einzelnen Anwälten kommt es dagegen darauf an, ihre Kompetenz sichtbar zu machen und sie als Persönlichkeit zu profilieren. Ein Anwalt kann zwar auch nur durch sein fachliches Wissen zur Marke werden. Aber einfacher und wirkungsvoller ist es, wenn er auch als Persönlichkeit wahrgenommen wird. Das ist in erster Linie Sache des Anwalts selbst. Der Marketing-Verantwortliche kann ihn dabei aber unterstützen und den Prozess der Markenbildung im Rahmen des Kanzleimarketing deutlich beschleunigen. Wichtig dabei: Das öffentliche Profil muss authentisch sein. Und es muss mit dem Profil der Dachmarke in Einklang stehen. Beim fachlichen Kanzleimarketing sollte zudem immer der Nutzwert für einen einzelnen Mandanten oder eine bestimmte Zielgruppe im Vordergrund stehen. Den konkreten Nutzwert kann der Anwalt zum Beispiel über Fachbeiträge, Statements in der Presse, Vorträge und letztlich auch Pitches (im Rahmen von Auftragsvergaben) herstellen.
Marktrecherche ist die eigentliche Kärrnerarbeit
Letztlich lässt sich die Aufgabe von Kanzleimarketing damit umschreiben, dass der Anwalt auf kürzestem Weg zu einem potenziellen Mandanten gelangt, der genau seine Expertise nachfragt. Dabei steht am Anfang die Kärrnerarbeit der Marktrecherche. Dachmarke, Monomarke, nutzwertige Informationen plus Referenzen sind dann die Türöffner. Überzeugen muss der Anwalt jedoch selbst. Und daran wird sich trotz aller Professionalisierung des Kanzleimarketing so schnell nichts ändern. Auch kommt es bei Anwaltsmarketing nicht unbedingt auf ein großes Werbebudget an. Mit guten und einzigartigen Ideen kann man nach wie vor viel bewegen und auch in der Mandantengewinnung erreichen. So hat etwa die Kölner Kanzlei Dr. Mahmoudi & Partner allein dadurch für viel Aufmerksamkeit gesorgt, dass sie sich auf Kunstrecht spezialisiert hat (www.kunstrechtkanzlei.de). Allein schon über den Kanzleinamen kann man Kreativität beweisen. So nennt sich etwa eine Kanzlei, die sich auf den Rechtsverkehr zwischen Indien und Deutschland spezialisiert hat, „InDE Rechtsanwälte“. Wer stattdessen mit großen Paragrafenzeichen, Justitias Waage oder dem (Vollstreckungs-)Hammer in seinen Broschüren, auf der Kanzleihomepage oder sonstigen Werbemitteln wirbt, hat die Anforderungen der Zeit schlicht verschlafen.
Kanzleihomepage ist Selbstverständlichkeit
Je jünger die Mandanten werden, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie ihr gesamtes Leben im Internet verbracht haben. Sie erwarten deshalb von ihrem Anwalt, dass er auch online präsent ist und auf der digitalen Klaviatur mitspielen kann. Wer da im Web nicht mit einer Kanzleihomepage vertreten ist, ist für die Mandanten tot. Die Kanzleihomepage muss heute auch zwingend mit Social Media Plattformen von Facebook über Twitter bis hin zu Xing/Linked In verbunden sein, um am Puls der Zeit angeschlossen zu sein. Viel Wert ist zudem auf ein ansprechendes Design zu legen. Hier legt man besser einige Tausend Euro mehr auf den Tisch als sich mit veralteten Bildern von Justitia oder ähnlich altbackenen Motiven selbst aus dem Markt zu schießen.
Wichtig sind zudem aktuelle und nutzwertige Informationen für die Mandanten. Auch regelmäßige Videobotschaften sind effektiv, weil der Anwalt hier nicht nur seine rhetorischen Fähigkeiten ausspielen kann, sondern vor allem demonstriert, dass er lebt, sich zu präsentieren vermag und für den Mandanten ein hervorragendes Aushängeschild darstellt. Stellvertretend sei hier die Homepage von Prof. Dr. Ralf Leinemann erwähnt, der unter www.leinemann-partner.de in regelmäßigen Videobotschaften über Neuigkeiten im Bau- und Vergaberecht informiert.
Rechtsanwalt Marcus Creutz
freier Journalist mit den Schwerpunkten Rechtspolitik, Wirtschaftsrecht und Anwaltsmarkt