Anwaltliche Karriere: Einzelanwalt, Partner, Partner in einer Law-Firm
Noch vor zwanzig, dreißig Jahren kannten deutsche Anwälte meist nur einen Weg, um eine erfolgreiche anwaltliche Karriere zu beginnen: Den deutschen Rechtsmarkt. Hierauf baute die gesamte Ausbildung auf. Entsprechend galt der deutschen Jurisdiktion die gesamte Aufmerksamkeit. Doch die Welt ist seither enger zusammengerückt. Digitalisierung und Globalisierung schaffen im Grunde genommen einen weltumspannenden Wirtschaftsraum. Damit nehmen auch die Chancen junger Juristen exponentiell zu.
Natürlich gibt es nach wie vor Jura-Studenten und Referendare, die sich bei Stellenangeboten für Juristen ausschließlich auf den deutschen Rechtsmarkt konzentrieren. Ohne Fremdsprachenkenntnisse, regelmäßige Auslandsaufenthalte und ausländische Studiensemester sowie Praktika in internationalen Law Firms verbauen sich angehende Juristen allerdings Zukunftschancen und erhöhen damit das Risiko, an der Selbstständigkeit als Anwältin oder Anwalt mangels Alternativen irgendwann zu scheitern. Denn rein national gesehen ist der Anwaltsmarkt mit über 160.000 Robenträgern überfüllt. In vielen Marktsegmenten herrscht der pure Verdrängungswettbewerb.
Nischen nutzen für eine anwaltliche Karriere?
Nur wer neben Expertise auch über eine entsprechende Finanzstärke verfügt, kann seine Marktanteile halten und spätestens dann ausbauen, wenn Wettbewerber schwächeln und einknicken. Nur noch in echten Nischen gelingt heutzutage der Markteintritt. Juristen, denen es gelingt, in eine solche Marktlücke vorzudringen, können also auch heute noch auf eigene Faust eine anwaltliche Karriere machen. Doch müssen sie selbst in noch so ausgefallenen Randbereichen immer die Gefahr im Auge behalten, dass finanzkräftigere Kanzleien oder eine international agierende Law-Firm diese Nische ebenfalls besetzen und Mandate abziehen.
Partner werden ist unkalkulierbar
Um die neuen Marktchancen, die die Globalisierung bietet, nutzen zu können, wird den karrierebewussten angehenden Juristen nichts geschenkt. Sie müssen zwei-, noch besser dreisprachig leben und neben der deutschen zumindest die angloamerikanische Rechtsordnung studieren. LL. M., Promotion und vielleicht noch weitere Berufsqualifikationen wie Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer runden das Bild ab. Wer in einer der Top-Wirtschaftskanzleien anheuern und es dort bis zum Partner schaffen will, der braucht zudem ein ausgeprägtes unternehmerisches Denken und vertiefte Branchenkenntnisse in boomenden Wirtschaftszweigen oder künftig wichtigen Märkten. Unternehmerisch vorausschauendes Denken ist gefragt, nicht das reaktive Verhalten vieler Anwälte. Und natürlich ist es förderlich und erwünscht, dass der neue Partneraspirant Millionen schweres Big Business mitbringt. Ob er tatsächlich als Partner aufgenommen wird, steht auf einem ganz anderen, meist nicht kalkulierbaren Blatt. Entweder fehlen dem Nachwuchsmann Sozialkompetenzen, vielleicht fehlt ihm auch Charisma oder er passt nicht in die langfristige Strategieplanung der Kanzlei.
Die neuen anwaltlichen Karrierewege
Deshalb gilt in den großen Wirtschaftskanzleien nach wie vor das „up or out“-Prinzip: Wer es innerhalb von fünf bis sieben Jahren nicht zum Partner in der Kanzlei schafft, sollte sich nach einem anderen Job umsehen. Doch mittlerweile haben die Kanzleien auch erkannt, dass sie damit extrem gut ausgebildete Mitarbeiter einfach ziehen lassen, statt sie, wie in der normalen Wirtschaft auch, durch entsprechend attraktive Karrierewege zu halten. In den zurückliegenden Boomjahren haben vor allem die Kanzleien aus dem angelsächsischen Raum künstliche Steighilfen in die Karriereleiter eingebaut, um den ehrgeizigen Nachwuchsanwälten ein schnelles Gipfelglück zu verschaffen. Salary Partner, Non-Equity Partner oder auch Fixed-share, Regional, Associated oder Junior Partner dürfen sich die Anwälte nennen, ohne allerdings einen Gesellschaftsanteil an der Kanzlei zu besitzen. Nur ihre Gehälter sind gestiegen – und die Boni. Die Folge: Der Begriff Partner hat keine einheitliche Bedeutung mehr. Er wird von Sozietät zu Sozietät ganz unterschiedlich verwendet.
Partner ist nicht gleich Partner
Nach außen macht sich der Partnertitel auf der Visitenkarte gut, weil er die Akquise um neue Mandanten erleichtert, heißt es in der Branche. Doch die Verwässerung des Partnerbegriffs und die Vielzahl unterschiedlicher Titel hinterlässt bei den Mandanten mehr Verwirrung als Nutzen. Auf Partnerebene existieren bis zu vier, fünf verschiedene Level. Das macht die Vergleichbarkeit sowohl der Beratungsqualität wie auch der Honorare für die Mandanten nicht gerade leichter. Für die Mandanten macht es zudem einen erheblichen Unterschied, ob sie der Senior oder Junior Partner berät. Schließlich gilt die Berufserfahrung als ein wesentliches Auswahlkriterium für den Rechtsberater.
Wie viele Partner sollen es sein?
Jede Sozietät muss sich fragen, wie viele echte Gesellschafter sie haben will. Sie schadet sich sehr, wenn sie Rechtsanwälte, die in Wirklichkeit Angestellte sind, mit dem Titel „Partner“ versieht. Gestandene Partner fordern deshalb eine größere Transparenz bei der Frage ein, wer Anwaltsgesellschafter ist und wer nicht. Das Ganze hat auch arbeitsrechtliche Konsequenzen. Auf angestellte Anwälte, die nicht Anwaltsgesellschafter sind, sich aber Partner nennen, dürfte das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finden. Zwar könnte die Sozietät im Laufe des arbeitsgerichtlichen Verfahrens einen Auflösungsantrag gegen Abfindung stellen. Das setzt aber voraus, dass etwa die Salary Partner leitende Angestellte sind. Doch das ist bei angestellten Anwälten anders als etwa bei Wirtschaftsprüfern umstritten. Denn nach § 45 Satz 2 der Wirtschaftsprüferordnung gelten angestellte Wirtschaftsprüfer als leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes. Eine derartige gesetzliche Klarstellung fehlt bei angestellten Anwälten bislang.
Counsel statt Partner
Im Normalfall dürften deshalb auch die so genannten „Counsel“ keine leitenden Angestellten sein. Dieser Anwaltstyp steht zwischen Associate und Partner. Wer es als junger Anwalt nach vier bis sechs Jahren nicht schafft, zum Partner ernannt zu werden oder das nicht anstrebt, der kann bei entsprechender Eignung auf eine Daueranstellung als Counsel hoffen. Auch der Counsel hat Anspruch auf Kündigungsschutz, entschied das Arbeitsgericht Frankfurt am Main zu Gunsten einer mit diesem Status angestellten Anwältin (Urteile v. 23.9 2009, 9 Ca 4149/09). Für die Kanzleien hat das nicht nur Vorteile. Ihnen geht Flexibilität verloren und sie können sich nicht so einfach von Anwälten trennen wie bisher. Die Kanzlei muss ggfls. Änderungskündigungen aussprechen und langjährig beschäftigten Anwälten die Chance geben, sich in neue und lukrativere Rechtsgebiete einzuarbeiten. Denn gerade die qualifizierten Anwälte aus dem Top-Segment sind in der Lage, sich schnell in neuen Rechtsmaterien zurechtzufinden. Dennoch ist festzustellen, dass die großen Wirtschaftskanzleien den neuen „Mittelweg“ bei der anwaltlichen Karriere zwischen Partnerschaft und angestelltem Anwalt intern wie extern schlecht bis gar nicht kommunizieren.
Der Kampf um die High Potentials geht weiter
Für die Kanzleien bleibt die Nachwuchsrekrutierung ein schwieriges Geschäft. Das hängt zum einen damit zusammen, dass es pro Jahrgang nur eine begrenzte Zahl geeigneter Kandidaten gibt. Denn nur maximal 10 Prozent schließen beide Examina mit Prädikat ab, d. h. mit der Note Vollbefriedigend und besser. Zirka 20 Prozent haben ein Prädikatsexamen. Bei jährlich rund 6.000 fertigen Volljuristen sind das je nach Jahr in absoluten Zahlen maximal rund 500 bis 600 Kandidaten.
Fast die Hälfte dieser 600 Spitzenjuristen geht in die Justiz oder die Wirtschaft. Im Spitzensegment des Anwaltsmarktes herrscht deshalb ein permanenter Nachwuchsmangel. Zum anderen arbeitet die Generation Y nach allem, was man aus der Branche hört, nicht mehr bis zum Umfallen. Die in den 80er und 90er Jahren Geborenen sind nicht mehr so blauäugig wie ältere Generationen. Sie wissen, dass gewisse Versprechen, z. B. die Partnerschaft, nur auf dem Papier stehen. Sie wollen zum Beispiel auch dann ihren geplanten Urlaub nehmen, wenn in der jeweiligen Kanzlei vielleicht gerade besonders viel zu tun ist, was ja fast immer der Fall ist.
Anwaltliche Karriere: Egomanen unerwünscht
Für die Kanzleien selbst ist die richtige Wahl der Nachwuchsjuristen existentiell bedeutsam. Denn aus dem Kreis der Nachwuchsleute rekrutieren sie die künftigen Partner. Die Partner sind die Aushängeschilder der jeweiligen Kanzlei. Sie sorgen für Wachstum oder Niedergang. Sie kommen bei den Mandanten an oder nicht. Dies alles vollzieht sich in einem immer wettbewerbsintensiveren Umfeld. Die Mandanten erwarten zunehmend die Betreuung von gestandenen Partnern und nicht von Berufseinsteigern – und das zu niedrigeren Kosten als noch vor ein paar Jahren. Schließlich müssen die Kanzleien darauf achten, dass die Chemie auch innerhalb der Kanzlei stimmt und die Anwälte teamfähig sind. Niemand arbeitet gern mit autistisch veranlagten Egomanen zusammen.
Scheindiskussion um die Work Life Balance?
Wer allerdings dennoch ganz nach oben strebt und an maßgeblicher Stelle im Wirtschaftsrecht beraten und gestalten will, kommt mit einer 40-Stunden-Woche nicht aus. Jedem Nachwuchsjuristen muss im Grunde genommen klar sein, dass bei einem Einstiegsgehalt von 100.000 Euro und mehr die Erwartung der vollständigen Verfügbarkeit automatisch besteht. Andererseits müssen sich die Kanzleimanager aber auch fragen, ob sie sich nicht eingestehen müssen, dass man zum Beispiel nach mehreren 16 Stunden Tagen keine 100 Prozent Leistung mehr bringt und für den Mandanten eigentlich eher ein Risiko denn eine Bereicherung darstellt. Dennoch: Der Einstieg bei einer Großkanzlei kann sehr spannend sein und schadet sicher niemand, da hier die Lernkurve – nicht nur in juristischen Themen – zumeist sehr hoch ist.
Allerdings sollte man sich dabei bewusst sein, dass die Partnerchancen gerade in der Law-Firm extrem gering sind und die Aufenthaltsdauer für den Großteil der Anfänger zeitlich befristet ist. Gleich niedriger einsteigen heißt aber keinesfalls automatisch weniger arbeiten. Und „Heruntersteigen“ ist leichter als von einer kleinen in eine große Kanzlei zu wechseln. Jedenfalls sollte man sich, ob nun in großen oder kleinen Kanzleieinheiten, einen guten Mentor suchen, der einen zum Berufseinstieg „an die Hand“ nimmt. Anwaltliche Karriereeinstiegschancen bieten auch die Rechtsabteilungen großer Unternehmen. Doch eine gewisse Erfahrung in einer Großkanzlei sollte man gesammelt haben, bevor man bei einem Unternehmen anheuert. Denn das Dasein als Syndikus kann nur schätzen, wer auch die andere Seite der Medaille kennen gelernt hat.
Mittel- bis langfristig gesehen bietet aber auch eine Karriere als Unternehmensjurist beste Perspektiven. Viele deutsche Unternehmen sind international aufgestellt, so dass die eingangs beschriebene internationale Ausrichtung des Jura-Studiums auch hier zum Tragen kommt. Und die Unternehmen bieten den angestellten Anwälten eine sehr gute soziale Absicherung bei meist freien Wochenenden. Dafür müssen die Juristen Abstriche bei den Gehältern machen. Sie liegen im Mittel bei 60.000 bis 80.000 EUR und nach mehreren Jahren Betriebszugehörigkeit dürfte bei 150.000 EUR Jahresgehalt das Ende der Fahnenstange erreicht sein.
Rechtsanwalt Marcus Creutz
freier Journalist mit den Schwerpunkten Rechtspolitik, Wirtschaftsrecht und Anwaltsmarkt